Karlis Traum.
oder: Das Schwiegermonster.
Satire. Erstveröffentlicht auf raketa.at
Müde, aber höchst zufrieden fiel Karli ins Bett. Er hatte an diesem Tag seinen ersten Tisch gebaut. Er alleine! Von der Planung des Möbelstücks bis hin zum Abschleifen und Einölen, der letzten Handlung, es war sein Werk. Nie hätte er gedacht, dass ihn die Tischlerei mit soviel Freude erfüllen könnte, doch als er vor seinem Werk gestanden hatte, verspürte er dieselbe Freude wie an dem Tag, an dem er mit seinem Maturazeugnis nach Hause gelaufen war und ihm sein Vater ein Auto, einen Jaguar natürlich, geschenkt hatte, nagelneu und chromblitzend.
Beim Einschlafen dachte er an seine Frau Fiona und ihre gemeinsame Tochter und er fragte sich, was er in dieser Nacht wohl träumen würde. Er war sein ganzes Leben lang ein Träumer gewesen, selbst in der harten und kalten Welt der Hochpolitik hatte er sich das Träumen beibehalten. Damals hatte er oft von einem sanierten Budget geträumt, und weil er diesen Traum immer wieder hatte, hatte er das sanierte Budget ganz einfach in die Agenda seines strahlenden politischen Wirkens aufgenommen.
Doch dieser Traum sollte anders werden.
Karli saß in einem großen Raum, einem Gerichtssaal nicht unähnlich, auf der einen Seite befand sich eine Bankreihe, auf der Menschen, im Falle des Gerichts die Geschworenen, Platz nehmen konnten. Doch die Bank war leer, wie auch der Saal menschenleer war, bis auf eine Person, die hinter einem mächtigen Pult saß, sie trug einen Mantel aus Tierfell, also Pelz, Karli erkannte sofort, da kannte er sich aus, dass es Zobel war, mit einer ausladenden Kapuze, die die Person mit einer schnellen Handbewegung zurückschlug.
Karli erkannte sofort, dass diese Person seine Schwiegermutter Marina war und wollte instinktiv flüchten, doch, und dies bemerkte er erst jetzt, war er an den Sessel, auf dem er saß, gekettet, sodass an Flucht nicht zu denken war.
„Versuch es erst gar nicht, du wirst mir nicht entkommen!“, brüllte Karlis Schwiegermutter. „Heute, Herr ExFinanzminister, rechnen wir ab!“
Karli fühlte Panik in sich hochsteigen, ganz so, wie wenn man einen Zobel erwartet und plötzlich einem Vielfraß ins Antlitz blickt.
„Aber Mama!“, setzte er mit unsicherer Stimme an. „Was soll das alles?“
„Was bildest du dir eigentlich ein?“
„Mama, was meinst du?“
„Und sag ja nie wieder 'Mama' zu mir, du Autoverkäufer!“, schrie Marina.
„Mama, ich meine, Marina, was hab ich denn getan?“
„Marina sagst du sicher auch nicht zu mir, du Falott! Du nennst mich 'Madame'! Was bildest du dir eigentlich ein, meine Unterschrift zu fälschen?“
„Aber Madame, das war doch ganz anders mit der Unterschrift!“
„Ach ja? Na, dann erzähl mal!“
„Madame, ich wollte deine Unterschrift nicht fälschen, aber anders wäre ich nie in den Club gekommen.“
„Welchen Club?“
„Naja, deinen Golfclub. Die wollten mich nicht aufnehmen, weil ich nicht seriös genug bin, wegen der vielen Skandale, da hab ich deine Unterschrift auf ein Empfehlungsschreiben gesetzt, das ich mir in deinem Namen selbst geschrieben habe. Es tut mir auch echt leid, aber ich wollte unbedingt in den Club.“
“Das meinte ich nicht!“
„Was meintest du denn dann?“
Marinas ungewöhnliche Bewegungen von der einen Seite des Pultes zur anderen ließen Karli glauben, dass sie schwebte.
„Ich meine die halbe Million, die ich dir angeblich geborgt habe. Und die Unterschrift, die du auf den erfundenen Vertrag dazu gekrakelt hast!“
„Was hätte ich denn tun sollen?“
„Was geht mich das an?“
„Die würden mich ja sofort in den Häfen stecken.“
„Da gehörst du auch hin!“, fuhr Marina ihn an.
„Aber Mama, ich meine, Marina, verdammt, Madame, ich bin doch dein Schwiegersohn!“
„Noch!“
„Wie meinst du das?“
„Ja, wie meine ich das? Denk halt mal nach, Herr Magister! Glaubst du wirklich, meine Tochter lässt sich das gefallen?“
„Aber Fiona und ich lieben uns! Wir haben eine Tochter. Dein Enkelkind!“
„Meine Tochter hat viele Kinder! Von vielen Männern. Glaubst du wirklich, meine Tochter wird bei dir bleiben? Bei einem Kärntner Autohändler? Denk mal nach, Mister Nulldefizit!“
Karli setzte seine gequälte Unschuldsmiene auf.
„Also das ist jetzt aber wirklich nicht fair!“
„Was? Was ist nicht fair?“, fragte Marina mit schneidender Stimme.
„Dass du mich Mister Nulldefizit nennst.“
„Soll ich dich vielleicht Sir Nulldefizit nennen? Du bist ein NullDefizit! Eine Nullnummer und ein Defizit für alle, die mit dir zu tun haben!“
Karli kamen die Tränen, doch da er gefesselt war, konnte er sie nicht wegwischen, sodass er mitansehen musste, wie sie seinen Brioni-Anzug benetzten, was ihn noch mehr weinen machte.
„Du bist nur ein weiterer Ausrutscher meiner Tochter,“, redete Marina sich in Rage, „ein weiterer Pülcher, wie man bei euch in Kärnten sagt, auf den das dumme Kind reingefallen ist! Bei mir war die Kriminalpolizei!“ Sie schrie wieder. „Und was hast du denen gesagt? Dass du die halbe Million von mir hast! Als ob ich dir so viel Geld in die Hand drücken würde!“
„Aber Madame, was hätte ich denn sagen sollen?“
„Die Wahrheit vielleicht? Dass du ein Dieb bist.“ Sie begann zu brüllen. „Und was soll deine Aussage, dass ich dir Geld in bar gegeben habe, das ich aus meinem Tresor im Vorzimmer genommen habe? Ja, spinnst du?!“
„Aber…“
„Ein Tresor in meinem Vorzimmer? Ja, wo denn? Neben dem Klo vielleicht? Du glaubst wohl, unsereins nimmt ein Bündel Geld mit aufs Häusel, wenn ein großes Geschäft ansteht!“
„Aber Mama, ich meine, Madame, hätte ich die Wahrheit gesagt, wäre ich im Häfen gelandet. Ich bin doch der Vater deiner Enkelin! Willst du, dass man deinen Schwiegersohn anklagt? Denk doch auch an Fiona!“
„Du wärst nicht der erste Verflossene meiner Tochter, der vor Gericht gestellt wird!“
„Aber Mama!“
„Sag du noch einmal Mama zu mir, du Parvenü, dann hat's was! Schau dich nur mal an! Dein Anzug, deine Uhr, deine Schuhe,
deine Frisur alles von meinem Geld bezahlt!“
„Aber das hat mir ja die Fiona finanziert.“
„Und woher hat sie das Geld, du Schlaumeier?“
„Sie ist eine erfolgreiche Designerin!“
Marina lachte laut. „Designerin! Erfolgreich! Wenn ich das schon höre! Schau dir mal das Boot an, das sie 'designt' hat! Was, glaubst du, ist damit geschehen?“
„Naja“, Karli fühlte instinktiv, dass er nun einen Treffer landen konnte, „das Boot wurde für viel Geld verkauft und liegt nun vor Capri.“
„Stimmt! In meinem privaten Hafen. Dieses Boot habe ich gekauft, damit meine Tochter mich nicht immer anpumpen muss!“
„Aber dein Boot schaut doch ganz anders aus als das, das Fiona designt hat!“
„Klar! Nachdem ich es gekauft habe, musste ich das hässliche Ding umdesignen lassen. Beim Design meiner Tochter bin ich schon auf dem Trockenen seekrank geworden!“
„Wie bitte?“ Karli war fassungslos.
„Sicher. Die Kristalle habe ich herausreißen lassen und in unserem Geschäft auf der Kärntner Straße verscherbeln lassen, damit der Schaden nicht ganz so groß ist. Und dann habe ich das Boot dem Philippe Starck gegeben, damit er es umdesignt.“
„Und?“
„Und was? Jetzt ist es schön!“
Karli war sprachlos.
„Jetzt sagst du nichts mehr, Herr ExMinister, was? Das, was du mit beiden Händen rausgeschmissen hast, war mein Geld.“
„Aber...“, Karli versuchte fieberhaft, das eben Gehörte für sich einzuordnen.
„Nichts aber! Zurück zum Thema: warum sagst du, dass die halbe Million von mir kommt?“
„Ja, was hätte ich denn sonst sagen sollen? Dass der Meischberger Walter sie mir gegeben hat zur Veranlagung?“
„Veranlagung! Wenn ich das schon höre! Dir würde ich nicht mal fünfhundert Euro zur Veranlagung übergeben. Eher gebe ich sie meinem Poolboy!“ Für den Bruchteil einer Sekunde schlich sich ein warmer, freundlicher Ausdruck in Marinas Antlitz.
„Madame, wie tun wir weiter? Ich weiß, die Karre steckt im Dreck, aber…“
„Die Karre steckt im Dreck... Verschone mich doch mit deinem Autohändlervokabular! Ich sag dir, wie wir nun weiter tun. Wir rechnen ab!“
„Wie meinst du das?“ Karli wurde es unheimlich zumute.
Marina schwebte, der jeweilige Grad ihrer Erregung verhielt sich direkt proportional zur Geschwindigkeit, in der sie schwebend die Distanz zwischen den Pultenden zurücklegte.
„Deine Nase für das Lügen und das Fälschen meiner Unterschrift!“
„Aber Mama, bitte! Ich meine, Madame, bitte!“
„Für die Verführung meiner Tochter bekomme ich deine Ohren!“
„Aber Madame, bitte! Fiona hat doch mich verführt!“
Marina dachte fünf Sekunden nach. „Jaja, Fiona kann ein Luder sein. Gut. Dein rechtes Ohr!“
„Aber…“
„Schweig! Und dafür, dass du Parvenü mit deinen Aktionen den Ruf meiner Familie beschmutzt hat, dafür bekomme ich...“ Marina kam schwebend hinter dem Pult hervor. Sie schwebte nicht auf einem Besen, wie Karli das von Hexen kannte, sondern auf einem langen Richtschwert aus Kristall. Ein ebensolches hielt sie mit beiden Händen umklammert und schwebte nun vor Karli.
„... dein Leben!“
„Aber Mama!“, schrie Karli und wachte auf.
Da er nicht alleine in dem Raum geschlafen hatte, war sein Schrei nicht unbemerkt geblieben. Sein Freund, Trauzeuge und Zellengenosse Walter eilte zu ihm und legte sich, um ihn zu beruhigen, zu ihm ins Bett.
Sie mussten eng beisammen liegen, im Gefängnis gibt es keine King-Size-Betten.
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